Vertrauen, TukTuks und Nabeez – eine Reiseerinnerung aus Assuan
Ich greife heute einfach auf eine Erinnerung zurück.
Ohne festen Plan. Ohne Chronologie. So wie das Leben sie manchmal zurückbringt – zwischen Bildern, Gefühlen und dem ganz eigenen Rhythmus unterwegs zu sein.
Damals war ich in Ägypten. Mein Ziel: der Sudan.
Die Route war klar: von Hurghada nach Assuan, von dort weiter Richtung Grenze.
Assuan war Teil des Plans, nicht etwa eine zufällige Zwischenstation. Ich hatte dort bereits einen Monat verbracht, liebenswerte Menschen kennengelernt – und wollte mich nun vor der Weiterreise bewusst verabschieden.
Doch das Leben hatte andere Ideen.
Nigeria kam dazwischen. Und mit Nigeria auch eine neue Richtung – nämlich zurück nach Kairo, in den Norden, anstatt wie geplant in den Süden.
Doch bevor ich diese Kehrtwende machte, wollte ich einen letzten Moment in Assuan verbringen.
Nacht am Busbahnhof von Hurghada
Von Hurghada aus wollte ich nach Assuan zurück.
Der Bus hatte Verspätung – mehrere Stunden, wegen einer Panne. Also saß ich die Nacht über am Busbahnhof. Und es war:
angenehm.
Kein Chaos, kein Stress.
Ich unterhielt mich mit anderen Wartenden, Menschen kamen und gingen. Jeder hatte seine eigene Geschichte. Manche blieben nur für ein Lächeln, andere teilten ganze Lebenswege in wenigen Sätzen.
Manchmal ist Warten nicht Stillstand – sondern Begegnung.
Zwischen Halt und Herzlichkeit – Fastenbrechen am Busbahnhof
Kurz vor Sonnenuntergang, noch immer am Busbahnhof in Hurghada sitzend, erlebte ich einen kleinen Moment, der mir tief im Gedächtnis blieb:
Zwei Datteln und ein dunkles, süßliches Getränk in einer Plastiktüte wurden mir in die Hand gedrückt – einfach so, von einer freundlichen Frau, die offenbar für das Fastenbrechen vorbereitete.
Es war Ramadan, und die Geste war still und groß zugleich.
Ich wusste nicht genau, was ich da trank – vielleicht war es Tamarindensaft oder Kharoub, wie man ihn in Ägypten kennt.
Aber in diesem Moment war es egal.
Es war ein Schluck Menschlichkeit – warm, süß und mit dem Gefühl:
Du bist willkommen, auch wenn du fremd bist.

Der Weg zu Fuß – und ein TukTuk, das nicht locker ließ
In Assuan angekommen, war meine Unterkunft nur etwa zwei Kilometer vom Zuhause eines engen Freundes entfernt.
Also beschloss ich, wie so oft, den Weg zu Fuß zu gehen. Es war Ramadan, die Sonne brannte, die Straßen waren still.
Ein Stück des Weges führte durch eine etwas abgelegene Gegend, am Rand der Wüste.
Sand, Steine, Müll – und plötzlich: Ein TukTuk-Fahrer, der mich anhielt.
Er sprach kaum Englisch, deutete aber energisch, dass ich nicht weitergehen solle.
Ich lächelte höflich. Dachte mir: „Er will sicher nur Kundschaft gewinnen.“
Und ging weiter. Doch er blieb hartnäckig. Rief, winkte, gab nicht auf.
Schließlich wurde ich neugierig und stapfte einen kleinen, rutschigen Hang zu ihm hinunter – durch Sand, Geröll und einen Geruch, den ich lieber nicht beschreibe. Er sagte, die Gegend sei zu gefährlich, er wolle mich fahren.
Ich lehnte ab. Sagte klar: „Ich habe kein Geld dabei.“
Er: „No problem.“
Ein paar Minuten später – ich war schon wieder unterwegs – kam er zurück. Dieses Mal stieg ich ein.
Etwas in mir sagte: „Vertrau ihm.“
Zwei Handys, eine Dolmetscherin und viel Verwirrung
Kurz darauf sammelte er noch eine Studentin ein, die übersetzen sollte.
Doch ihr Englisch war begrenzt – also rief sie ihre Schwester an.
Handy Nummer 1 kreiste. Dann rief ich meinen Freund an.
Handy Nummer 2 kreiste. Es war eine Art mobile Konferenzfahrt, zwischen Märkten, Wohnviertel und TukTuk-Ruckeln.
Irgendwann wurde es ihr zu viel.
Sie schrie auf – wir waren ganz woanders als ihr Ziel.
Sie stieg genervt aus. Ich verstand sie. Denn selbst ich war leicht überfordert vom ägyptischen Reisechaos.
Doch der Fahrer fuhr weiter – mit mir. Und brachte mich schließlich ans Ziel.
Mit einem ordentlichen Umweg.
Wie mir mein Freund später erklärte, war der ursprüngliche Weg, den ich zu Fuß gehen wollte, bei TukTuk-Fahrern gefürchtet.
„Niemand fährt dort“, sagte er.
Tja. Ich war eben wieder mal mittendrin.
Iftar mit Nabeez – und das Gefühl von Zuhause in der Ferne
Am Abend saßen wir gemeinsam beim Fastenbrechen.
Iftar in Assuan ist schlicht, ehrlich und voller Gefühl.
Es gab Datteln, Brot, Gemüse – und etwas, das ich noch nie zuvor gesehen hatte:
Ein durchsichtiges Glas mit Brotwürfeln darin.
Nabeez, erklärte man mir. Ein fermentiertes, traditionelles Getränk aus der nubischen Kultur.
Es schmeckte süßlich, etwas säuerlich, erdig – und irgendwie nach Vertrauen.
Ich wusste: Dieser Moment bleibt.

Der Rückweg – und die Straße ohne Regeln
Später machte ich noch ein Video.
Ich filmte, wie ich eine typisch ägyptische Hauptstraße überquerte –
ohne Ampel, ohne Zebrastreifen, mit hupenden Autos links und rechts.
Man läuft einfach los – und hofft, dass die anderen bremsen.
Ein Tanz zwischen Mut und Wahnsinn.
Meine Unterkunft war einfach, sauber – und: es kam Wasser aus der Dusche.
Ein Detail, das man erst wirklich schätzt, wenn man lange unterwegs ist.
Fazit
Ich war nicht dort, wo ich ursprünglich hinwollte. Aber genau dort, wo ich sein sollte.
Reisen ist kein Fahrplan. Kein glattes Instagram-Bild.
Es ist Chaos, Vertrauen, Staunen, Umwege.
Es ist ein TukTuk-Fahrer, der nicht locker lässt.
Eine junge Frau, die aussteigt.
Ein Glas Nabeez beim Fastenbrechen.
Und die Erkenntnis: Manche Geschichten schreibt nicht der Kopf, sondern das Herz.
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