Eine Woche in der Wüste Wadi Rum – Stille, Achtsamkeit und der Weg zu mir selbst
Ich glaube, ich habe schon einmal über meinen Aufenthalt in der Wüste geschrieben. Doch gerade jetzt denke ich wieder an diese besondere Zeit zurück, weil sie mich mehr geprägt hat, als ich damals ahnte.

Was mir in den letzten Jahren immer wieder aufgefallen ist – besonders in touristischen Gegenden: Wir nehmen uns kaum noch wirklich Zeit. Wir reisen von einem Highlight zum nächsten, knipsen Fotos und haken Sehenswürdigkeiten ab. Aber lassen wir das Erlebte auch auf uns wirken? Spüren wir den Moment? Oder sind unsere Gedanken schon beim nächsten Ziel?
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Wadi Rum zur Zeit des Konflikts
Als ich im Dezember 2023 in Wadi Rum ankam, war die Situation im Nahen Osten angespannt. Wegen des Kriegs zwischen Israel und Palästina kamen kaum Touristen. Und wenn, dann blieben sie meist nur ein bis zwei Nächte. Ich konnte es verstehen – im Urlaub ist die Zeit begrenzt und man will viel sehen. Auch ich dachte zunächst eher pragmatisch:
- das Camp war günstig,
- das Internet funktionierte kaum,
- es gab keine Geschäfte und nur ein entferntes Dorf mit wenigen Einkaufsmöglichkeiten.

Perfekte Bedingungen also, um Geld zu sparen – und um mein Online-Verhalten einzuschränken. Doch ganz ehrlich: Ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, eine ganze Woche so weit entfernt von der Zivilisation auszuhalten.

Schon auf der Fahrt mit dem Bus von Amman nach Aqaba langweilte mich die endlose Wüstenlandschaft nach zwei Stunden. Was sollte ich also eine Woche lang tun? Meine Brieftasche war überzeugt, dass es eine gute Entscheidung war – mein Kopf weniger.
Erste Tage zwischen Verzweiflung und Anpassung
Das Camp selbst war wunderschön, friedlich und still. Doch am Anfang war es schwer, nicht zu verzweifeln. Ich ertappte mich ständig dabei, nach einem Netzsignal zu suchen. Besonders schlimm war es abends, wenn ich im Zelt lag. Früher hätte man vielleicht noch ein Buch gelesen – heute greift man automatisch zum Handy.

Es gab außerhalb des Camps einen Ort, an dem das Internet funktionierte. Der Koch des Camps und ich liefen anfangs fast besessen dorthin. Nicht zusammen, jeder für sich, doch mit dem gleichen Ziel: ein paar Minuten online sein.
Mit der Zeit aber gewöhnte ich mich daran – und entdeckte, dass es tatsächlich Alternativen gibt. Plötzlich konnte ich etwas anfangen mit der Stille, den Bergen, dem endlosen Sand.

Begegnungen, Tiere und die Stille der Wüste
Die meisten Touristen, die ins Camp kamen, wirkten gestresst. Sie fotografierten, aßen, schliefen, machten am nächsten Tag eine Tour und reisten wieder ab. Tiefer Kontakt entstand selten.

Einmal jedoch saßen wir gemeinsam am Lagerfeuer, mit den Beduinen. Wir lachten, erzählten, ich buchte eine Tour und erlebte einen unvergesslichen Tag. Danach war ich wieder allein mit dem Koch.

Und trotzdem war es nie ganz einsam. In der Nähe des Camps waren Kamele, die morgens früh von den Beduinen auf einen entfernten Platz gebracht wurden, vermutlich zum Grasen. Später am Nachmittag kamen sie zurück. Ich besuchte sie manchmal, stand einfach da und beobachtete sie. Selbst an einem Ort, wo scheinbar „nichts los“ ist, passiert ständig etwas – nur in einem anderen, langsameren Rhythmus.

Ein Tourist sagte einmal: „Hier ist es so still, dass man sogar den Flügelschlag von Fliegen hören kann.“ Und er hatte recht. Die Stille war überwältigend – aber nicht unangenehm. Sie war heilend. Kein Lärm, keine Ablenkung – nur man selbst und die eigenen Gedanken.

Kein Wunder, dass so viele Propheten in die Wüste gingen, um Antworten zu suchen. Ich verstand sie plötzlich sehr gut.

Kalte Nächte und ein einsames Weihnachten
Im Dezember sind die Nächte in Wadi Rum bitterkalt. Auch das Duschwasser war eiskalt. Ich wollte auf Weihnachten verzichten – ausgelöst durch ein Erlebnis vor meiner Reise. Doch ich gab zu: Ganz konnte ich es nicht.

Also schmückte ich mit allem, was ich hatte – USB-Kabel, Kühlschrankmagnete, kleine Dinge – einen einsamen Strauch in der Wüste. Es war mein ganz persönlicher Weihnachtsbaum. Ich saß davor, tief zufrieden, ruhig, ohne mehr zu wollen, als diesen Moment.

Innere Prozesse
Vor meiner Reise hatte ich kaum Interesse am Weltgeschehen. Doch durch den Konflikt in der Region wurde ich zum ersten Mal direkt mit dem Thema Krieg und Leid konfrontiert. Wissen, so merkte ich, ist ein zweischneidiges Schwert: Je mehr man weiß, desto mehr Fragen entstehen – ohne einfache Antworten.

Und doch fand ich dort in der Wüste ein Stück inneren Frieden. Nicht vollständig, nicht so weit, dass ich alles erzählen könnte – aber genug, um zu spüren, dass ich weitergehen konnte.
Abschied von der Stille
Am Ende hatte ich sogar Angst, wieder in die laute, wenn auch schöne Stadt Aqaba zurückzukehren. Wadi Rum hatte mir gezeigt, wie wertvoll Stille ist. Wie sehr es unser Inneres verändern kann, wenn wir uns wirklich Zeit nehmen, anstatt nur vorbeizueilen.

Fazit: Wadi Rum lehrt Achtsamkeit
Die Woche in der Wüste war für mich eine Lektion in Achtsamkeit, Loslassen und Vertrauen. Wadi Rum ist nicht nur eine Sehenswürdigkeit in Jordanien, es ist ein Ort, der dich zwingt, dir selbst zu begegnen.

Wer die Chance hat, sollte nicht nur für eine Nacht bleiben. Die Wüste gibt dir mehr zurück, je länger du verweilst.

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